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IFFF 2018: A Woman Captured

IFFF 2018: A Woman Captured published on Keine Kommentare zu IFFF 2018: A Woman Captured

von Ann-Kristin

© IMDB

Ich durfte für Feminismus im Pott beim diesjährigen Internationalen Frauenfilmfestival dabei sein und freue mich, euch von all den inspirierenden Filmen und Geschichten zu erzählen.
Bereits zum 35. Mal standen die teilnehmenden Kinos und Veranstaltungsorte in Köln und Dortmund ganz im Zeichen filmschaffender Frauen und weiblicher und queerer Perspektiven auf gesellschaftliche, soziale und politische Realitäten und Probleme.

Ich möchte gerne von dem Publikumsliebling des Festivals berichten – der Dokumentationsfilm „A Woman Captured“, eine deutsch-ungarische Co-Produktion der Regisseurin Bernadett Tuza Ritter.
Der Film „feierte im Rahmen des Festivals seine NRW-Premiere, nachdem er bereits u.a. den ungarischen Filmpreis und den Großen Preis der Stadt Wiesbaden erhalten hat. Die Regisseurin war selbst im „Odeon“ in der Südstadt vor Ort und berichtete im Anschluss über die Entstehung des Films.
Die Sichtbarmachung ansonsten gesichtsloser Hausangestellten ist mir in den letzten Jahren mehrfach in Film und Buch begegnet (z.B. im Kurzfilm „Loin du 16ème“ des brasilianischen Regisseurs Walter Salles und dem Roman „Dann schlaf auch Du“ der französischen Autorin Leila Slimani). Dieser Dokumentationsfilm sprengt aber jeglichen Rahmen des mir Bekannten und schafft eine neue Dimension, denn die Geschichte der Protagonistin Marish geht weit über ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hinaus und erzählt von Sklavenhaltung mitten in Europa.

In Europa leben rund 1,2 Millionen Menschen in moderner Sklaverei, in Ungarn sind es etwa 22.000.
Marish, die eigentlich Edith heißt, ist eine davon und lebt in einem Vorort von Budapest bei ihrer „Arbeitgeberin“ Eta, bei der sie neben ihrer Arbeit in der Fabrik ohne Bezahlung im Haushalt arbeitet. Den Namen Marish bekam sie von Eta, eines der vielen Mittel, sie psychisch und physisch zu kontrollieren und zu missbrauchen. Marish darf das Haus nur mit Erlaubnis verlassen und muss ihr gesamtes Einkommen an Eta abgeben, sie hat keinen Rückzugsort und kein eigenes Leben. Zu ihrer Familie hat Marish keinen Kontakt, ihre jüngste Tochter lebt in einem Kinderheim.
Die Kamera lässt uns ganz nah an Marish heran, ruht immer wieder auf ihrem ausgezehrten Gesicht, ein Großteil des Films besteht aus Nahaufnahmen der Protagonistin. Dabei ist Marish viel jünger als es uns ihr Äußeres glauben lässt, „Du bist alt geworden während Deiner Zeit hier“, stellt die Regisseurin bald fest und wir können nur erahnen, welcher Behandlung Marish in den letzten Jahren ausgesetzt war.

Wir folgen ihr in ihrem Alltag. Gänse füttern, Etas zerwühltes Bett machen, die Familie mit Mahlzeiten versorgen. Marish ergibt sich den Befehlen der Familie und sieht sich Beleidigungen und Schlägen ausgesetzt. Immer wieder drängt sich die Frage nach dem Warum auf, die auch die Regisseurin im Laufe des Films stellt. Die Antwort ist so banal wie schrecklich, Marish hat niemanden, zu dem sie kann, der sich um sie kümmert und nicht genügend Geld, um eigenständig zu leben. Das Leben bei Eta bietet ihr einen festen Bezugspunkt und ein Sofa zum Schlafen.
Die Möglichkeit, ihre Geschichte zu erzählen und die Unterstützung durch Bernadett Tuza-Ritter ermutigen Marish, sich aus ihrer Situation zu lösen. Wir begleiten sie ängstlich bei ihrer nächtlichen Flucht und dem Versuch, ein eigenes Leben aufzubauen. Marish wird dabei immer wieder mit der Mangelhaftigkeit öffentlicher sozialer Hilfsangebote konfrontiert. Obwohl sie von physischer Gewalt betroffen ist, fällt sie durch das Raster von Hilfsorganisationen und bleibt größtenteils auf sich selbst gestellt. Schritt für Schritt findet sie in ein Leben, das sie selbst bestimmt, mit eigener Wohnung und sozialen Kontakten.

Bernadett Tuza-Ritter hat damit ein einmaliges und eindrückliches Porträt einer Frau und deren Lebenssituation geschaffen, das dann mit dem Publikumspreis des Festivals prämiert wurde.

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