von Kaj
Gebildeten, sexuell aktiven und aufgeschlossenen, urbanen Studierenden läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie vor ihrem sexpositiven geistigen Auge eine Dildoparty visualisieren.
„Wenn ich etwas über Sex lernen will, rede ich mit meinen Freund_innen oder gehe in einen Workshop. Zum Beispiel in einen über weibliche Ejakulation. Oder ich schaue mir die kürzlich mit dem PorYes-Award prämierten neuesten Arbeiten aus der feministischen Pornoszene an. Wenn ich mal einen Dildo ausprobieren will, nehme ich den, den wir uns im Freund_innenkreis gemeinsam angeschafft haben. Wir sind da total offen, aware und aufgeklärt sowieso.“
Und so weiter. Und sofort.
Fair enough.
In anderen Bildungs- und Regionalräumen sieht es aber unter Umständen doch etwas anders aus mit der sexuellenBefreiung. Da sind die patriarchalen Beziehungs- und Sexualitätskonstruktionen tief im deutschen Ackerboden verwurzelt. Da wird Jugendlichen in der 8. Klasse der ortsansässigen Sekundarschule im Biounterricht im Rahmen „Bau und Funktion der menschlichen Fortpflanzungsorgane I und II“ eben genau das vermittelt: Bau und Funktion der Fortpflanzungsorgane. Um Lust geht es da nicht. Wenn diese Jugendlichen Glück haben, gibt es in der Nähe eine Schwangerschafts(konflikt)beratungsstelle mit gut ausgebildeten Sexualpädagog_innen (zum Beispiel von profamilia, DRK, AWO oder auch dem Gesundheitsamt). Aber garantiert ist das nicht. Wer könnte sowas noch? Gynäkolog_innen. Eigentlich. Aber um mit denen über Sex zu reden, muss eine schon einige Skills haben. Treppenwitz: Sie muss zum Beispiel über Sex und Sexualität reden können. Das ist nicht einfach. Das müssen die meisten von uns lernen. Lernen! Ha, dafür sind doch auch Eltern zuständig. Richtig. Aber über Sexualität reden? Herzlichen Glückwunsch an diejenigen von euch, die von ihren Eltern gelernt haben, offen über Sex und den eigenen Körper zu sprechen. Das ist den wenigsten vergönnt. (Oder vielleicht könnte eine auch sagen: Das bleibt den meisten erspart. Generationengrenze und so.) Bleiben noch die Freund_innen. Aber die waren auf derselben Schule, kennen dieselben Gynäkolog_innen und haben dieselben eingestaubten Oldies. Das sexuelle Lernen verschiebt sich also in die Partnerschaft. Das ist ja nicht schlimm. Aber auch dort treffen dann Zwei aufeinander, die ihre Schwierigkeiten haben, über Sexualität, über Bedürfnisse und Wünsche und Lüste zu reden.
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