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Susan Sontag und Jonathan Cott – „The Doors und Dostojewksi: Das Rolling-Stone-Interview“

Susan Sontag und Jonathan Cott – „The Doors und Dostojewksi: Das Rolling-Stone-Interview“ published on Keine Kommentare zu Susan Sontag und Jonathan Cott – „The Doors und Dostojewksi: Das Rolling-Stone-Interview“

von der Bücherhexe

Denken im Dialog

Susan Sontag
Bild: buzzaldrins.de

„Ich hab meine Doktorarbeit nie beendet. Genau wie Susan Sontag!“ sagte mir mal eine Freundin mit einem Augenzwinkern. Susan Sontag, eine der beeindruckendsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts, scheint Menschen also nicht nur mit ihren Leistungen zu inspirieren, sondern sogar mit Dingen, die sie nicht getan hat. Überhaupt hielt sie sich ungern an Konventionen – z.B. die Idee, sich zwischen so genannter Pop- und Hochkultur entscheiden zu müssen – sondern hinterfragte und analysierte sie lieber, und verehrte die Doors ebenso wie Dostojewksi. Eines ihrer berühmtesten Interviews erschien im Rolling Stone, einer Musikzeitschrift, die sowohl über Rock- und Popmusik als auch auf hohem Niveau über gesellschaftliche und politische Themen berichtet – ein passendes Medium also für das Gespräch das Sontags langjähriger Freund Jonathan Cott 1978 mir ihr in Paris und New York führte. Dieses Interview ist nun als Buch erschienen, und das erstmals in voller Länge, denn die Zeitschrift druckte damals nur etwa ein Drittel des Gesprächs ab.

Während es viele Schriftsteller*innen gibt, die sich in der Einsamkeit des Schreibens wesentlich wohler fühlen als in künstlich erzeugten Gesprächssituationen wie Interviews sie nicht selten sind, zog Susan Sontag das gemeinsame Entwickeln und Diskutieren von Gedanken und Ideen im Dialog dem einsamen Denken und Schreiben vor. Ähnlich wie Hannah Arendt einmal sagte, dass es Wahrheit nur zu zweit gäbe, stellte Sontag fest, dass sie sogar die meisten ihrer Gedanken im Gespräch entwickelte. Und diesen Gedanken zu folgen, die dort geteilt und mitgeteilt werden, ist faszinierend: Biografische Aspekte, Sontags Krebserkrankung, Fotografie, Kulturphänomene, Alter, Krieg, geistige Konstrukte und ihre realen Auswirkungen auf unser Leben werden mit einer Neugier, einer Begeisterung für das Denken und einer sprachlichen Zugänglichkeit verhandelt, dass man glaubt mit Cott und Susan Sontag zusammen zu sitzen – und schließlich den Eindruck hat, selbst klarer zu sehen und präziser zu denken.

Susan Sontag und Jonathan Cott
„The Doors und Dostojewksi: Das Rolling-Stone-Interview“
Aus dem amerikanischen Englisch von Georg Deggerich
Hoffmann und Campe
€ 18
9783455503302

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„Und eigentlich glaube ich nicht an die Perfektion“

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von Lilli Boheme

IFFF
Bild: IFFF

Mein Hund hat Entenfüße, schiefe Zähne und einen charmanten Überbiss. Ein Mängelexemplar aus dem Ausland? Im Gegensatz zu den Zuchtdamen der beiden Dalmatiner-Hundezüchter Peter und Thomas fällt meine Lemon jedenfalls durch jeden Standardtests ihrer geschätzten 2 – 50 Rassen: gleichmäßig gefleckt, schöne Kopfform und ein helles, freundliches Gemüt – der perfekte Dalmatiner, dem Peter und Thomas bei jedem neuen Wurf entgegenfiebern. Bisher war er noch nicht dabei. Gar nicht so schlimm, wie Peter meint. Aber dazu später mehr.

In der Dokumentation und Abschlussarbeit „Nur das Beste“ von Kim Münster (Regie) und Tina Porsche (Kamera), zweier Studentinnen der FH Dortmund, geht es um das Streben nach Perfektion. Das Streben nach den perfekten Maßen, der optimalen Fehlervermeidung, der besten Leistung. An vier Beispielen machen die beiden deutlich, wie der Mensch dieses Bestreben internalisiert und in das Leben, den Alltag, den Geist aufgenommen hat. Dabei begleiten sie Sebastian, den Qualitätsmanager einer Firma für Solartechnik, die Ballerina Emilie, die Tomatenzüchter*innen Dorota und Carsten und die oben bereits genannten Hundezüchter Thomas und Peter ein Jahr lang bei ihrer Arbeit, ihrem Hobby, ihrer Passion.

„Geht das auch schneller?“

Kameraführung und Schnitt sind wohl überlegt und machen deutlich, wie die von Technik durchdrungene, effiziente Sicht- und Denkweise auf den Menschen und seine Umwelt übertragen wird. Der Mensch als (Selbst-)Produkt, der Körper als Projekt und als Leistungsträger, der trainiert und optimiert wird; aus dem alles herausgeholt werden muss. Für wen? Für sich selbst oder nur als Rädchen im System?

Alle sprechen von Werten, von Maßzahlen, vom Alter – wer aber sagt eigentlich, was Perfektion ist? Wer legt eigentlich fest, wann eine Ballerina zu alt für die Bühne oder die Tomate zu klein für unsere Tomatensuppe ist? Das ist egal. Fakt ist, die Maßstäbe existieren, sie sind uns bekannt und mensch kann die Tomate, den Hund und den eigenen Körper daran messen. Das heißt im Genauen, mensch kann an den Maßstäben entweder scheitern oder ihnen trotzen – aber meistens scheitern, denn Perfektion ist nicht dafür gemacht sie zu erreichen, sondern um ihr hinterher zu jagen und sich jeden Tag aufzurappeln, das Beste zu geben, sprich: jeden Tag mehr zu geben.

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Bild: IFFF

Peter, der Dalmatiner-Züchter sagt es ganz deutlich am Ende des Films: Wer das Ziel erreicht, wer perfekt ist und perfekte Arbeit leistet, der kann nur noch schlechter werden und dann, ja dann ist das Leben vorbei.

Was teilt er mir mit? Die Perfektion zugleich anzustreben, als auch zufrieden damit zu sein, sie wieder einmal nicht erreicht zu haben – zum eigenen Seelenheil und dem der anderen Zellobjekte und Subjekte. Tomaten, Hunde und Menschen werden zu Produkten, die ihren Qualitätstest bestehen müssen – aber wenn sie Glück haben treffen sie auf Zeitgenossen, wie Peter und Thomas, die auch Welpen mit schwarzen Ohren nicht aus ihrem Dalmatinerparadies verbannen, obwohl sie nie einen Pokal mit nach Hause bringen werden. Der Mensch ist eben (noch) keine Maschine und so fand Lemon, der watschelnde Hund, ihr Plätzchen auf meiner Couch. Einen Gruß an Morgen.

(Dokumentarfilm, Regie: Kim Münster, Deutschland 2013, 80 Min.)

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Im Auge einer Rolleiflex

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von Chiara Fabri

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Bild: anfluquefoto.wordpress.com

Ein Flur. Ein Mann. Eine Rolleiflex. Ich. Mit allem inklusive Körper.

Es ist tragisch, dass ich mich derart geweigert habe. Dass ich den Anblick meines eigenen Körpers so nah und so hell erleuchtet nicht ertrug. Diesen meinen Körper, der mir die Stunden zuvor und auch weiterhin danach, soviel Genuss bereitete. Der ihm so viel Genuss bot. Mein Körper, der meinen Geist treiben ließ, für mich empfing und seine und meine Berührungen wohlfühlend aufnahm. Mit diesem Körper stöhnte ich zuvor, bäumte mich auf. Dieser Körper fühlte mit Freude sein Gewicht, empfand seine packende Kraft als angenehm. Ohne meinen Körper hätte ich dies nicht erleben können und ich liebte mich dafür. Ich zeigte mich ihm ohne Scham, meine Beine waren bis dato nie offener dargelegt; ließ mich bis dahin nicht so eindringlich betrachten und befühlend untersuchen. Dies und mehr ohne auch nur einen Anflug an Unbehagen oder Scheu. Mein Körper ist wunderschön. Und doch. Die Wahrheit vor dem Spiegel, im Flur, im flutenden Licht schien: Mein Körper gefiel mir, wenn er dem Anderen gefällt. Mein Körper gefiel mir nur heimlich. Sein Gefallen an mir und mein heimliches Gefallen trafen in diesem Flur, vor diesem Spiegel aufeinander. Ich war gewillt mein heimliches Tun aufzudecken. Mir selbst gegenüber zu stehen und kühn zu zerschlagen, womit ich rang. Wusste mich nicht aber zu entscheiden. Wollte so gern der Scham entgegen lächeln; doch schaffte es nicht.

Ich rückte zur Seite. Ein Schritt. Einen weiteren. Bis ich letztlich hinter der Stehlampe stand. Mich zu verbergen versuchte. Der Kampf stand mir in Gesicht und Leib geschrieben. Ich spürte es selbst. Ärger mischte sich darunter. Verzweiflung. Es half nicht einmal, dass er mir seine Hand reichte. Er wollte an meiner Seite stehen, mir bei. Vor dem Spiegel. Dies ließ mich verlieren und mich von mir wenden. In diesem Moment, gab ich ihm und vor mir selbst zu. Ich verweigerte mich vehement. Wollte nicht der sich reflektierenden Wahrheit ins Gesicht sehen. Ungeschminkt wahrhaben zu müssen, dass ich nicht vollends selbstsicher und selbstliebend war. Dass ich mehr als mich brauchte, um mich bestätigt zu fühlen.

Es war ein Schrecken. Ein Schrecken, den ich gerne m Bild festgehalten gewusst hätte. Solche Bilder. Eine junge Frau, voller Verzweiflung um ihrer Selbstliebe vor einem Spiegel. Was für ein Bild!

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Zum Einstimmen auf das Internationale Frauenfilmfestival 2015!

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von Lilli Boheme

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Bild: IFFF

Am 14.04 geht das Internationale Frauenfilmfestival in die nächste Runde und wir freuen uns schön riesig darauf!

Morgen gibt es schon einen kleinen Vorgeschmack mit dem Dokumentarfilm Nur das Beste, der Abschlussfilm zweier Studentinnen der FH Dortmund. Wohin führt das Streben nach dem Besten? Was bedeutet Perfektion für den Einzelnen und für unsere Gesellschaft? Mit NUR DAS BESTE gehen die Regisseurin Kim Münster und die Bildgestalterin Tina Porsche diesen Fragen nach.

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Marjorie Celona – Hier könnte ich zur Welt kommen

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von der Bücherhexe

Eine alte Seele auf der Suche

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Bild: amazon.de

Vancouver Island, an einem Morgen im August, 5.15 Uhr. Eine junge Frau setzt ihr Baby am Eingang des YMCA aus. Der einzige Zeuge, Vaughn, hatte schon immer einen besonderen Sinn für Vorahnungen, und irgendetwas sagt ihm: Es ist besser so. Er gibt der Polizei eine falsche Beschreibung. So kann selbst auf einer Insel die Mutter des Mädchens nicht gefunden werden. Zunächst. Das Kind wächst bei verschiedenen Pflegeeltern in einfachen Verhältnissen auf und wird erst Lily, dann Shandi, dann Shannon genannt. Shannon selbst erzählt uns ihre Geschichte, klar und fließend, mit immer wieder aufleuchtenden Metaphern und Beschreibungen, die Stimmungen, Gefühle, Atmosphären, menschliche Wesen, alltägliche Details mit leiser Intensität zum Leben erwecken. Shannon ist auf der Suche nach Liebe, Anerkennung, Heimat, schließlich nach ihrer Vergangenheit und Herkunft, und nicht zuletzt nach ihrer Mutter. Was sie dabei auf sich nimmt, versucht, erträgt und verzeiht ist so beeindruckend wie bewegend. Sie ist wohl das, was man gemeinhin als „alte Seele“ bezeichnet. In Rückblenden, die ebenfalls Shannon erzählt, als hätte sie alles von einer höheren Warte aus beobachtet, erfahren wir nach und nach, was vor ihrer Geburt geschehen ist – und warum sie ausgesetzt wurde.

Marjorie Celona
Das Original erschien unter dem Titel ‚Y‘
Free Press
9781451674385
€ 10,95
Aus dem Englischen übersetzt von Christel Dormagen:
Hier könnte ich zur Welt kommen
Insel Verlag
€ 9,99
9783458360049

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