von Frau Fuchs
Gefühlt tausendfach habe ich in diesem Jahr Männer getroffen. Begegnungen, in denen beide Gegenüber ihre Rolle spielten: Als Single, als Mann, als Frau, als interessierte Zuhörer*innen, als Selbstdarsteller*innen. „Guck mal, ich zeig‘ dir meinen Wert“. Is‘ wie in `ner Kunstauktion, alle glotzen dich an und du wirst gemäß deiner optischen Erscheinung, deines Formates, deiner Epoche und deiner Provenienz beurteilt. Ja und was war ich da bitteschön? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß bloß, dass mindestens vier der Männer, die ich traf, mit mir direkt eine feste Beziehung eingegangen wären und mindestens 9 Sex mit mir gehabt hätten, ohne wirklich dabei eine Ahnung davon gehabt zu haben, wer ich eigentlich WIRKLICH bin. Ich als Wesen. Ich als Mensch.
Hey, ich bin die Blondine von Samstagnacht.
Das ist so das, was ich bisweilen oft empfand, auch schon vor der Ära Tinder. Ihr wisst schon, dieser abartige menschenverachtende Online-Supermarkt, auf welchem man sich Menschen wie Produkte auswählt und zu Gemüte führt, wenn eine Bedürftigkeit vorliegt. Natürlich beruhend auf Gegenseitigkeit. Aber das ist nicht nur bei Tinder so. Das findet in allen Klubs dieser Stadt, dieses Landes, der westlichen Zivilisation statt, die einfach zu prosperierend lebt, unter zu viel Auswahl leidet, als dass man für irgendwen Dahergelaufenen die eigene Lebenszeit verschwenden würde. Tze. Wieso auch? Alle haben doch Probleme und was soll ich mich damit herumschlagen, wenn ich einen anderen, problemloseren Menschen haben kann? Alle wollen etwas erleben. Am liebsten ein emotional langanhaltendes Hochgefühl (um mal wieder etwas zu spüren) dicht gefolgt von hartem, hemmungslosen und erotikfilmtauglichen Sex. Egal, wer da jetzt in einem steckt bzw. in wem man steckt. Ist das die Kehrseite der Überfülle? Zuviel Auswahl, kein Ankommen? Angst vor Stillstand in einer Fortschrittsgesellschaft? Das is‘ nicht mehr so, wie früher bei Opa und Oma; früher, als die Welt noch klein war. Es ist nicht mehr so, dass es nur noch den Einen für ein ganzes Leben gibt, dem man rein zufällig an einer Straßenecke begegnete. Das Einzige, was beide Generationen, die meiner Großeltern und meine, gemein haben, das ist die Angst davor nicht durchzukommen, über die Runden zu kommen. Dass man untergeht, dass man vergessen wird. Als Mensch.