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Zwei Streifen – Zwei Seiten

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  von d.cz.

Es war April 2015.
Zwei  Streifen zeigte mir der Test an.
Zwei Streifen, noch nach drei Minuten.
Das bedeutetet: ich bin schwanger.
Zwei Streifen die in Sekunden zwei Emotionen in mir auslösten. Freude über das neue Leben in mir und die Angst um meine Zukunft, die nicht nur meine war.
Ich arbeitete zu der Zeit für einen evangelischen Träger als Inklusionshelferin und begleitete ein 9-jähriges Mädchen seit zwei Jahren in ihrem Schulalltag. Bindungsstörung und ADHS war ihre Diagnose. Meine Arbeit machte mir nicht nur Spaß, sie erfüllte mich auch. Wir hatten große Fortschritte gemacht. Sie hatte Freundschaften geschlossen, hatte Selbstbewusstsein und positive Erfahrungen mit Lehrern gemacht, was sie sehr stärkte. Ich war so ehrlich und informierte meine Koordinatorin über meine Schwangerschaft was ein großes Risiko für mich bedeutet, denn mein Vertrag ging nur bis Anfang der Sommerferien. Nach den Ferien würde ich einen neuen Vertrag bekommen. für die kleine stand ein großer Schritt an, der Schulwechsel auf die weiterführende Schule. Sie hatte große Angst vor den ‚fremden‘ Kindern und Lehrern.

Man machte mir ein Angebot.Continue reading Zwei Streifen – Zwei Seiten

Eine Antwort auf Stein und Stroh

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von ila

Kurz vor Weihnachten publizierte die Welt den Artikel „Das Schreckensmärchen von der Vergewaltigungskultur“, der mit Bezug auf Camille Paglia die Problematik des enormen Ausmaßes an sexualisierter Gewalt in westlichen Gesellschaften wie in den USA leugnet. Beeindruckend ist dabei, wie fehlerhaft die Argumentation entfaltet wird – so fehlerhaft, dass misstrauisch gemutmaßt werden könnte, es handle sich schlicht um Propaganda, die eben gar nicht logisch sauber argumentiert sein will.

Aufgezogen an einer Umfrage an amerikanischen Eliteuniversitäten, nach der 16 % der Studentinnen vergewaltigt wurden, diffamiert der Verfasser Hannes Stein die Zahlen mit dem Argument, dass kaum eine der Betroffenen „sich je unter einer der Telefonnummern gemeldet hat, die extra für vergewaltigte Frauen eingerichtet wurden; geschweige denn, dass sie bei der Polizei Anzeige erstattet hätte.“ Der daraus entstandene Hashtag #whyIsaidnothing entlarvte diese Argumentationsweise bereits als zu kurz gedachten Fehlschluss, der entweder von purer Ignoranz oder schlechter Recherche und mangelndem Hintergrundwissen zeugt: Stein klammert hier die ganze psychische Dimension von sexualisierten Gewalterfahrungen aus. Wäre der Artikel fundiert geschrieben, wären die Mechanismen von Traumatisierungen und damit einhergehenden Gefühlen von Scham und Starre berücksichtigt worden.

Aber auch Camille Paglia begeht einige logische Fehler, die Hannes Stein unreflektiert zitiert:

Sie plädiert für Handlungsmacht statt „opferzentrierter Rhetorik“ und verkennt dabei, dass sich beides nicht ausschließt, sondern im Gegenteil Betroffene von sexualisierter Gewalt Handlungsmacht zurück gewinnen können, indem sie über ihre Erfahrungen sprechen. Das bietet eine Chance aus dem Opfermodus auszutreten und für sich und die eigenen Rechte einzustehen. Auch eine Verarbeitung von Missbrauchserfahrungen ist nur derjenigen möglich, die sich eingesteht, missbraucht worden zu sein. Häufig ist auch die Anerkennung der eigenen Leiderfahrung von außen wichtig, um diese bewältigen zu können. Indem Paglia das „Gerede von einer „Kultur der Vergewaltigung“ lachhaft“ nennt und damit die Leiderfahrungen unzähliger Frauen diffamiert, senkt sie die Handlungsmacht anderer Frauen.

Diesen Fehlschluss könnte man auf schlichtes Unvermögen zurückführen, oder aber auf einen ziemlich egoistischen, rücksichtslosen und kurzsichtigen Vermeidungsmechanismus: Weil es viel bequemer ist, keine Probleme zu sehen, sieht man eben einfach weg. Weil es zu schmerzhaft ist, sich mit solchen Themen zu konfrontieren, werden diese einfach ins Lächerliche gezogen. Weil der Umstand der extrem verbreiteten Täterschaft zu bedrohlich ist, leugnet man ihn. Über diesen psychischen Mechanismus kann Frau Paglia sich dann weiterhin handlungsfähig fühlen- wohlgemerkt: Fühlen!

Es hat nur leider weitreichende Konsequenzen, wenn Personen wie Paglia öffentlichkeitswirksam ihren persönlichen (Nicht-)Umgang mit diesem Thema breittreten: Paglia trägt dazu bei, sexualisierte Gewalt zu verharmlosen, Betroffenen den Mund zu verbieten und ihnen Unterstützung zu verwehren. Sie schafft einen idealen Boden für weitere sexuelle Übergriffe.

Neben dieser psychischen Bedürftigkeit, diesem nicht-aushalten-können-von-schmerzhaftem tritt noch etwas offen zutage, das manche Stutenbissigkeit nennen: Eine Frau wertet andere Frauen ab, um sich selbst ein bisschen besser zu fühlen. Sie wertet den Ausdruck der Vergewaltigungskultur als „geschwätzige Propaganda“ ab und will stattdessen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Warum sie das nicht einfach tut, ohne anderen Frauen ihre feministischen Interessen abzusprechen, erklärt sie nicht.

Erneut begeht sie einen fundamentalen logischen Fehler: Diese beiden Themen feministischer Arbeit schließen sich nicht aus, sie haben erst mal nichts miteinander zu tun, sie sind beide wichtig.

Allerdings muss man von einer Person, die meint, es sei eine Voraussetzung „die lümmelhaften Vergnügungen und Gefahren von Männerpartys auf Universitäten zu meistern“ (d.h. in diesem Fall sich Vergewaltigungen zu erwehren), um „in Zukunft Führungspositionen in Politik und Wirtschaft zu erringen“, auch nicht mehr erwarten.

Busfahrt mit Troll

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von MsWookie

Kennt ihr das, wenn plötzlich ein Sinnbild, eine fleischgewordene Metapher vor euch aufploppt? Wenn sich ein latentes, immer anwesendes Gefühl glasklar zeigt?

Freitagmorgen in einer Großstadt im Ruhrgebiet. Ich stehe mit meinem Freund an einer Fernbushaltestelle und freue mich auf Amsterdam. Der einzige wirkliche Urlaub diesen Sommer. Der Busfahrer schnauzt uns an, es gebe nur für ein Handgepäck pro Person Platz. Ich habe einen kleinen Rucksack auf dem Rücken und meinen Jutebeutel von den Gender Studies über der Schulter. Ich realisiere, dass das dem Busfahrer zu viel ist. Er sieht mich bitterböse an, als wolle er uns alle schon vor Beginn der Fahrt erwürgen. Ich denke mir nichts dabei und drücke den Beutel meinem Freund in die Hand, der gerade das große Gepäckstück verstaut hat. Er grinst mich an, murmelt etwas von „miltärischemBundeswehrdrill“ und ich weiß, dass er nur darüber grinst, weil er sich sonst nur aufregen würde. Wir steigen ein und setzen uns relativ weit vorne auf einen freien Zweiersitz. Kurz nach Abfahrt bemerken wir, dass wir vor einem trinkenden Junggesellenabschied gelandet sind. Ich fühle mich wie ein Snob, weil ich gerne woanders sitzen würde. Weil ich och vor der Fahrt dachte, während der 15€-Fahrt in Ruhe ein Buch lesen zu können. Wahrscheinlich gehört das zu einer Busfahrt nach Amsterdam einfach dazu, sage ich mir, vielleicht wird das auch noch ganz amüsant. Ich schäme mich etwas für meine Bedenken und versuche mich in Gelassenheit. Als die Männer, ungefähr 15 angetrunkene Typen zwischen 25 und 35, zum ersten Mal laut grölen, flüstert mir mein Freund zu: „Eine homosoziale Männergemeinschaft!“ Ich bin fast stolz auf ihn, weil er sich scheinbar etwas von meiner Hausarbeit merken konnte, die er vor kurzem Korrektur gelesen hat. Wir versuchen es nun also mit Galgenhumor. Zwei ältere Frauen vor uns kichern über die unerwartete Unterhaltung. An der nächsten Haltestelle, der letzten vor Amsterdam, stürmen unsere neuen Bekannten nach draußen, zum Rauchen. Ich überlege kurz und entscheide mich dann dagegen, ebenfalls eine Zigarette zu rauchen. Eine der älteren Frauen gibt einem der Typen noch Feuer. Als die Männer durch den schmalen Gang strömen, zieht mein Freund den Jutebeutel aus deren Sichtweite. „Nachher pöbeln die noch rum, wenn sie einen Gender Studies-Beutel sehen“, sagt er und ich bin mir sicher, dass er mittlerweile

jutebeutel
Bildquelle

trotz allem Humor ebenso etwas skeptisch ist. Grölend kommt die Mannschaft, die – wie wir später herausfinden – tatsächlich eine Amateurfußballmannschaft ist, an uns vorbei. Einer von ihnen, der etwas älter als der Durchschnitt ist, stimmt nun einen „Gesang“ an. „[Vorname][Nachname] Sinti und Roma!“ In meinem miesen Bauchgefühl bestätigt, merke ich, wie die ganze Truppe einstimmt.Continue reading Busfahrt mit Troll

Erfahrung eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruch

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Am 17. März 2016 fand wieder einmal der 1000KreuzeMarsch (bäh pfui pu pu pu!) in Münster statt. Feminismus im Pott hatte den alljährlichen Protestmarsch gegen die weißen Kreuze zum Anlass genommen, auf facebook das Themenfeld Schwangerschaftsabbruch in den Fokus zu nehmen. Die Stimme digital zu erheben und darauf hinzuweisen, dass wir nicht mit unseren Erfahrungen allein sind und Keine* und Keiner* eine schweigende Ausnahme darstellen braucht, die sich schämend und schweigend in die dunkle Ecke zu stellen hätten, hat wieder einmal eine herrliche Blüte hervorgebracht: Uns erreichten Zeilen einer Frau, die ihre Erfahrung mit uns allen teilen möchte; das macht Mut und kräftigt das feministische Kämpferherz.


von [anonyma]

In den 70er Jahren ging meine Mutter auf die Straße, um Frauen das Recht auf Selbstbestimmung zu ermöglichen und dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Anfang Januar wurde bei meinem Ultraschall in der 12. Woche festgestellt, dass der Fötus in meinem Bauch eine Megazyste aufweist: Er schluckte wie jeder Föte in diesem Stadium Fruchtwasser, konnte es jedoch nicht wieder über die Harnröhre abgeben, weil diese verschlossen oder gar nicht ausgebildet war. So hatte sich seine Blase innerhalb einer Woche auf mehrere Zentimeter Durchmesser vergrößert und verdrängte alle anderen Organe, die Nieren wurden durch den Rückstau schwer geschädigt. In den darauf folgenden zwei Wochen waren wir fast täglich bei einem Spezialisten nach dem anderen und jeder hatte eine andere Meinung darüber, ob das Kind noch zu retten wäre; keiner traute sich aber eine OP in diesem frühen Stadium zu.

koerper
(c) Chiara Fabri

Das Ganze endete darin, dass eine Ärztin zwei Wochen später eine so starke Schädigung feststellte, dass das Kind höchstwahrscheinlich noch in meinem Bauch sterben würde. Ihre Kollegin jedoch meinte, es bestünde eine (geringe) Chance, dass das Kind lebend auf die Welt käme und, dass ja auch kranke und behinderte Kinder es wert wären, für sie zu kämpfen. Wir waren also aufgrund der konträren Meinungen in der Entscheidung vollkommen auf uns gestellt.

Weitere drei Ärzte später und gefühlte 100 Stunden auf den Ultraschall und das Kind mit seiner riesigen Blase starrend, wussten wir, dass das es zu 99% im weiteren Verlauf der Schwangerschaft oder spätestens wenige Tage nach der Geburt sterben würde und waren uns einig, dass wir das nicht ertragen konnten. Ein weiterer Spezialist musste deshalb etliche Krankenhäuser abtelefonieren, denn die meisten sind kirchlich und erlauben deshalb keinen Abbruch – egal aus welchem Grund.

So musste ich wieder mehrere Tage auf einen Termin warten und nach langer Reise dort angekommen schließlich, da die Schwangerschaft mittlerweile fortgeschritten war, eigenständig alle paar Stunden Zäpfchen einführen, die mein Baby töten und zugleich Wehen auslösen würden. Nach 30 unglaublich schmerzhaften Stunden in den Wehen, denn mein Körper kämpfte gegen sie an und wollte den Muttermund nicht öffnen, brachte ich meinen toten Sohn auf die Welt.

Ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird, bis ich nicht mehr weine, wenn ich an diese Wochen denke, aber ich weiß, dass ich es unverantwortlich finde, dass Menschen mir zumuten möchten, ein dem Tod geweihtes Kind in mir zu tragen und von mir verlangen wollen, jeden Tag Menschen zu treffen, die auf meinen wachsenden Bauch schauen und mich anlächeln, beglückwünschen oder mir ungefragt von ihren glücklichen Erfahrungen berichten, während ich wöchentlich zum Ultraschall gehe, auf mein krankes Kind schaue und den Herzschlag suche.

 

Über die Mauer geklettert

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Von MsWookie

Manchmal fragen mich Freund_innen und Bekannte aus dem Hier und Jetzt, warum ich gerade da gelandet bin, wo ich nun stehe, sitze oder gehe:  Gesellschaftswissenschaftliche Studentin an einer Ruhrgebietsuniversität und – mittlerweile erklärte – Feministin. Dann erzähle ich zuerst von der Sensibilisierung für Gender-Fragen und feministische Themen zu Beginn meines Studiums, dann von den schüchternen Sympathien für die Frauen, die vor vielen, vielen Jahrzehnten für ihre Rechte auf die Straße gingen. Kenne ich den Menschen gegenüber schon etwas besser oder finde ihn_sie schlichtweg sympathisch, erzähle ich manchmal davon, wie ich aufgewachsen bin.

Als einzige Tochter von liebevollen, aber auch anspruchsvollen Eltern („Sitz gerade am Tisch!“ höre ich heute noch manchmal) bin ich in den 90ern und 2000ern in einem Dorf am Schwarzwaldrand aufgewachsen. Wert legt man darauf, dass man schwäbisch spricht, täglich mehr arbeitet als der_die Nachbar_in und mindestens einen Acker besitzt. So ist das immer gewesen, so möchte man das bewahren. Der Wohnort meiner Eltern ist das Modellland für jede_n traditionelle_n Konservative_n. Diese Gegend Heimat zu nennen fühlt sich falsch an, auch, wenn jede Begrüßung durch meine Mutter, komme ich aus dem Ruhrgebiet zu Besuch, sich immer noch nach Heimat anfühlt.

Es ist eine kleine, relativ in sich geschlossene Welt. Der kleine Zeitschriftenladen, gleichzeitig die Poststelle des Ortes, führt seit Jahren nur noch zwei Zeitungen: Die Lokalpresse und die BILD-Zeitung. Alles andere, so die Besitzerin, hätte eh niemand gekauft. Ein vorwurfsvoller, unausgesprochener Nachsatz wäre gewesen „seitdem du weggezogen bist.“ Continue reading Über die Mauer geklettert

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