Madame, Sie haben den Job! Oder wartet noch irgendwo ein Mann? (FAZ)
Bild: ruhr-uni-bochum.de
Das Bild einer Karrierefrau ist von Stereotypen gezeichnet. Sie ist verbissen, unweiblich und einsam. Und wenn sie Kinder hat, kann sie nur eine Rabenmutter sein. Warum ist das Bild von Frauen, die Karriere machen wollen so negativ belastet? Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein unerschöpfliches Thema in Politik, Medien und dem Alltag vieler Menschen. Doch mehrheitlich ist mit ‚Familie‘ eine heterosexuelle Paarbeziehung gemein, was wenig Spielraum für alternative Lebensmodelle lässt. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen im Beruf und auch in einer stark am Hausfrau-Ernährer-Modell orientierten Beziehung noch viele Kompromisse bis Verluste eingehen müssen. Der Lohnunterschied bei gleicher Arbeit beträgt zwischen Frau und Mann aktuell 23 %. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch doppelt so viel Zeit am Tag mit der Hausarbeit verbringen wie Männer – und das auch wenn sie fest im Beruf stehen. Ich sprach mit Prof. Dr. Katja Sabisch speziell über die prekäre berufliche Situation von Wissenschaftlerinnen und wie sie noch immer vom Mutterbild geprägt sind, welches sich durch die Aufopferung für das Kind auszeichnet und engagierte Wissenschaftlerinnen mit dem Vorwurf der Rabenmutter zu kämpfen haben.
„Die Gender-Ideologen wollen alle Unterschiede zwischen Mann und Frau leugnen und damit Gleichmacherei betreiben! Das verwirrt die Seelen unserer Kinder und, schlimmer noch, die Schöpfungsordnung!“ – Solche Äußerungen finden sich auf christlichen Medienportalen en masse. Unabhängig ihrer Konfession gehen sie meist weiter mit: „In der Bibel steht ganz klar, dass…“ – ja, was denn? Spricht die Bibel tatsächlich eine so eindeutige Sprache? Und ist sie das einzige Kriterium für theologische Meinungsbildung?
Dieser Artikel soll zeigen, dass das Spektrum christlicher Meinungen zur Genderforschung nicht so einseitig-ablehnend ist, wie es in den Medien oft scheint. Dazu erst mal eine kurze Standortbestimmung der Autorin: Ich studiere evangelische Theologie in Bochum (die Fakultät hat einen progressiven Ruf und den deutschlandweit höchsten Anteil an Professorinnen) und bin Mitglied einer Landeskirche der EKD. Nichtsdestoweniger repräsentiere ich hier weder eine Institution noch beanspruche ich, die eine Wahrheit des Glaubens zu verkünden. Ich stelle lediglich meine Position dar, die auf wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema beruht – und jeder wissenschaftliche Anspruch wäre verfehlt, wenn ich anderen Positionen die Legitimität abspräche. Im Wesentlichen beziehe ich mich dabei auf ein Buch von Prof. Dr. Isolde Karle, Inhaberin des Bochumer Lehrstuhls für Praktische Theologie: „’Da ist nicht mehr Mann noch Frau‘. Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz“. Sie rezipiert darin die Genderforschung und macht sie für theologische Fragestellungen fruchtbar. Ich möchte mich in diesem Artikel auf einige wenige Aspekte beschränken.
Unser Ziel: das AKZ in Recklinghausen. Es regnet in Strömen und wir sind spät dran. Vollgepackt mit Hund und Beutel hetzen wir der Tür entgegen, wo die Dame(n) des Abends uns freudig in Empfang nehmen. Unsere Vorfreude war berechtigt. Nadine Kegele strahlt uns an, ein Hauch von Wien im Ruhrpott – wir sind entzückt. Und sofort ist klar – der Abend wird schön. Anna Seidel und Anike Krämer, die Organisatorinnen der Lesung haben den abgerockten Charme des Ortes genutzt und einen gemütlichen Raum geschaffen, wo jung und alt zusammensitzen und der Autorin heute als Versuchskaninchen dienen. Aber dazu später mehr.
Die Organisatorinnen Anna Seidel und Anike Krämer
Nadine Kegele liest, die Zuhörerschaft ist leise. Ob die innerlich eingeschlafen sind? Nein, es geht ihnen wie uns. Sie lauschen den Romanfragmenten und verbinden die Worte mit den eigenen Erfahrungen, Überlegungen und Unsicherheiten. Die 60 Minuten Lesezeit vergehen schnell.
„Aber Katze ist gut, sagt Vera, Katzen sind selbstständige Tiere.
Und die Füchsin sagt: Stimmt, Hunde sind kooperativ, und Kooperation wird oft missverstanden als Schwäche.
Und Untertänigkeit, ergänzt Ruth.
Und sie stinken, sagt Nora.
Der Anus einer Katze stinkt auch, sagt Vera.“
„War euch das zu viel Sex?“, fragte sie nach der Lesung. „Diese Stellen habe ich noch nie vor Publikum gelesen.“. Gleichzeitig schütteln wir unsere Köpfe, sagen aber noch nichts. Jede*r scheint auf ihrer*seiner Art ergriffen zu sein von ihren Worten, ihren Geschichten, den Wahrheiten. Die Stimmung ist zurückhaltend, aber angeregt. Und dann gab es da noch ein kleines Gewinnspiel. Nadine Kegele erklärt, dass sie sehr ungern mit leeren Händen zu Besuch kommt. Und dieses Mal hatte sie einen selbstgebastelten Schlüsselanhänger dabei. Ein gelbes Band, auf dem „Trau keiner Revolution, in der Olympe de Gouges nicht vorkommt“ aufgenäht ist. Wer die Preisfrage beantworten kann, soll den Schlüsselanhänger zum Buch bekommen.
Lemon
„MEINE FEINDLICHKEIT gegenüber dem Frauenkörper habe ich geerbt. Gestrige Erkenntnis, als ich so lange wachlag und an den Spielplatz dachte, wo wieder eine ihre Brüste rausgeholt hat, um ihr Kind zu stillen, einfach so. Wenn ich den Körper von Frauen nicht mag, mag ich mich selbst nicht. Die Mutter mochte sich nicht und deshalb mochte sie mich nicht, die Brüder waren kein Spiel, waren anders gebaut und gedacht als wir. Das Wir nehme ich sofort zurück. Aus der Erkenntnis jedenfalls folgt:
1. Spielplatzverbot!
2. Feindlichkeit abgewöhnen!
3. Nackte, stillende, schwangere Frauen ansehen, bis ich mich mag.“
Gemeinsam sitzen wir noch eine Weile in gemütlicher Runde zusammen und tauschen uns aus. Wir reden über die Frauen im Roman „Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause“, über uns, über eben diese persönlichen Zusammentreffen, die inspirieren und über die Ideen, die noch vor uns liegen. In Münster am Abend drauf wird es sicher ähnlich gewesen sein.
Schon wieder stehe ich vor dem Spiegel im Flur. Es ist ein schmalovaler Spiegel in einer Schranktür. Ich schaue mich an. Von oben nach unten. Und immer wieder bleibe ich mit meinem Blick an meiner Körpermitte hängen. Die Hüften, der Bauch. Sehen die anders aus? „Das bist du“, denke ich. Ja, das war ich doch auch schon immer. Oder? In letzter Zeit bemerke ich aber, das von Außen eine Veränderung an mich herangetragen wird. Eine Veränderung, die ich kaum bemerkt habe. Es ist einfach passiert. Aber von außen wird diese Veränderung kommentiert. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
„Du bist aber dünn geworden.“, „Ne, steht dir aber.“. Es sind doch eigentlich gut gemeinte Kommentare. Es sind Komplimente, oder? Ich bin irritiert.
Ein Vater lädt seine drei Kinder ein, um Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Die drei sind auf alles gefasst; eine Krebsdiagnose vielleicht. Doch der zurückhaltende Mort Pfefferman schafft es an diesem Abend nicht, über die eigentlichen Veränderungen in seinem Leben zu berichten. Die Geschwister müssen nach und nach selbst dahinter kommen, dass ihr Vater zu „Mapa“ geworden ist. Hinter der Mort-Fassade gab es schon lange Maura und Maura hat das Leben im Geheimen satt. Maura will auch öffentlich und im Familienkreis Frau sein. Für die Kinder kommt die Mama/Papa-Mischung überraschend und rüttelt auch an ihren eigenen Identitäten und Lebensentwürfen.
Zumal das Outing zusammenfällt mit dem Wiederauftauchen alter Liebschaften, neuer Krisen und erstaunlichen Wendungen. Zahlreiche Rückblenden dokumentieren die Familiengeschichte und wirken dabei wie die langsam brennende Zündschnur für die explosive Gegenwart.
Selten, vielleicht nie, wurden Genderthemen mit so viel Humor aufgegriffen, ohne in reinem Klamauk zu enden. Selten wurde mit Identitäten so gespielt, ohne sich in Stereotypen zu verheddern. Transparent behandelt seine gut gezeichneten Charaktere respektvoll. Niemand bleibt nur sympathische Identifikationsfigur oder Widerling. Alle sind, wenn auch teils recht verschrobene Menschen. Dabei erzeugt die Serie Spannung durch Emotionen und sozial knifflige Situationen.
Anschaulich wird gezeigt, wie jeder und jede mit der eigenen Identität, dem eigenen Geschlecht, dem eigenen Lebensentwurf und dem eigenen Sex allein ist und oft auch Diskriminierung und Unverständnis ausgesetzt ist. Maura ist die Galeonsfigur dieser Selbstfindungsexpedition. Am Ende der Staffel kommt bei mir allerdings doch die Frage auf, ob nicht alle Protagonisten nur Narzissten sind; dass sie in ihrer Selbstbespiegelung und Ichsuche niemand anderen wirklich sehen oder finden können. Ist die Serie mit so viel Fingerspitzengefühl inszeniert worden, um letztlich eine knappe nihilistische Botschaft von einer Welt voller Narzissten zu liefern?
Das kann es doch nicht sein – ich bin sehr gespannt auf die zweite Staffel.