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Jemand anderes muss die Geschichte erzählen

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von Esra Canpalat

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Irgendwann am Abend kommt die Zeit, zu der alle Väter nach Hause finden. Sie lag auf dem Kanapee, auf ihrem Bauch, der sich anfühlte als sei er aus Stein. Der Magen bog sich hin und her, verkrampfte und löste sich wieder, wie das gelbe Tuch in der Küche, das die Mutter nass machte und auswrang, nass machte und wieder auswrang. Eine routinierte Bewegung. Ein routinierter Schmerz im Bauch, immer einige Minuten, bevor der Vater zuhause eintraf. Dafür brauchte man nicht auf die Uhr zu schielen. Der Bauch hatte seine eigene Uhr und wusste, wann die braunen Lederschuhe eintrafen. Klack Klack. Das Geräusch der aneinander geschlagenen Schuhe, um den Staub abzuschütteln. Die Frage, die dann sofort im Kopf schwirrte: Wie wird es heute sein?

War er zornig, dann war das Klackern laut und die Schuhe wurden lieblos in den Schrank geworfen, noch bevor ihre ältere Schwester Umay sie entgegen nehmen konnte. Manchmal traf sie der Schuh am Kopf. Mittlerweile konnte sie ausweichen. Das machte ihn aber nur wütender. Doch die Hand konnte das ebenso gut, wie der Schuh. Vielleicht hatte er aber auch gute Laune und brachte Kirschen aus dem Laden mit. Man wusste es nicht. Auch der Bauch nicht.Continue reading Jemand anderes muss die Geschichte erzählen

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Möglich. Familie und Karriere? Für die Frau? Unwahrscheinlich.

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von Lilli Boheme

Madame, Sie haben den Job! Oder wartet noch irgendwo ein Mann?
(FAZ)

Leitbild
Bild: ruhr-uni-bochum.de

Das Bild einer Karrierefrau ist von Stereotypen gezeichnet. Sie ist verbissen, unweiblich und einsam. Und wenn sie Kinder hat, kann sie nur eine Rabenmutter sein. Warum ist das Bild von Frauen, die Karriere machen wollen so negativ belastet? Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein unerschöpfliches Thema in Politik, Medien und dem Alltag vieler Menschen. Doch mehrheitlich ist mit ‚Familie‘ eine heterosexuelle Paarbeziehung gemein, was wenig Spielraum für alternative Lebensmodelle lässt. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen im Beruf und auch in einer stark am Hausfrau-Ernährer-Modell orientierten Beziehung noch viele Kompromisse bis Verluste eingehen müssen. Der Lohnunterschied bei gleicher Arbeit beträgt zwischen Frau und Mann aktuell 23 %. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch doppelt so viel Zeit am Tag mit der Hausarbeit verbringen wie Männer – und das auch wenn sie fest im Beruf stehen. Ich sprach mit Prof. Dr. Katja Sabisch speziell über die prekäre berufliche Situation von Wissenschaftlerinnen und wie sie noch immer vom Mutterbild geprägt sind, welches sich durch die Aufopferung für das Kind auszeichnet und engagierte Wissenschaftlerinnen mit dem Vorwurf der Rabenmutter zu kämpfen haben.

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„Nicht mehr männlich noch weiblich“: ein Plädoyer für gendersensible Theologie

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von Fließbandbaby

„Die Gender-Ideologen wollen alle Unterschiede zwischen Mann und Frau leugnen und damit Gleichmacherei betreiben! Das verwirrt die Seelen unserer Kinder und, schlimmer noch, die Schöpfungsordnung!“ – Solche Äußerungen finden sich auf christlichen Medienportalen en masse. Unabhängig ihrer Konfession gehen sie meist weiter mit: „In der Bibel steht ganz klar, dass…“ – ja, was denn? Spricht die Bibel tatsächlich eine so eindeutige Sprache? Und ist sie das einzige Kriterium für theologische Meinungsbildung?

Dieser Artikel soll zeigen, dass das Spektrum christlicher Meinungen zur Genderforschung nicht so einseitig-ablehnend ist, wie es in den Medien oft scheint. Dazu erst mal eine kurze Standortbestimmung der Autorin: Ich studiere evangelische Theologie in Bochum (die Fakultät hat einen progressiven Ruf und den deutschlandweit höchsten Anteil an Professorinnen) und bin Mitglied einer Landeskirche der EKD. Nichtsdestoweniger repräsentiere ich hier weder eine Institution noch beanspruche ich, die eine Wahrheit des Glaubens zu verkünden. Ich stelle lediglich meine Position dar, die auf wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema beruht – und jeder wissenschaftliche Anspruch wäre verfehlt, wenn ich anderen Positionen die Legitimität abspräche. Im Wesentlichen beziehe ich mich dabei auf ein Buch von Prof. Dr. Isolde Karle, Inhaberin des Bochumer Lehrstuhls für Praktische Theologie: „’Da ist nicht mehr Mann noch Frau‘. Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz“. Sie rezipiert darin die Genderforschung und macht sie für theologische Fragestellungen fruchtbar. Ich möchte mich in diesem Artikel auf einige wenige Aspekte beschränken.

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Wer schnell hilft, hilft doppelt

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Von Chiara Fabri

 

Auf der Suche nach Kinderbüchern für […], entdeckte ich auf dem Dachboden der Familie ein Schmuckstück aus den 1950er Jahre. Fremde Gäste am Schilfsee ist ein von Hans Riedel gedachtes und illustriertes Tiermärchen, gestaltet von Annelies Jaschonek und Peter Moosdorf, frei überarbeitet von Karl Nietzsche und im Verlag Karl Nietzsche, Niederwiesa erschienen. Ein Verlag, den es wohl seit spätestens der Wende nicht mehr geben wird. Zu finden ist dieses Kinderbuch noch mit Glück bei der Online Plattform für Antiquitäten ZVAB.

fremde gäste

Die Geschichte steigt sogleich bei der Ankunft einer flüchtenden Froschfamilie an einem See ein, deren Zeuge ein Mausevater wird. Das Blut stockt ihm, sein Herz droht, nicht weiter zu schlagen, ob der Furcht dieser Fremden auf dem Floß. Fremde mit großen hervorstehenden Augen und breitem Mund; so ganz anders ausschauend, als gewohnt. Und so gar nicht aus der Region stammend. Am Ufer angekommen, legt sich die Froschfamilie erschöpft zur Ruhe, der Mäuserich eilt heim, um voller Sorge von dem Schrecklichen und seiner Sippe zu berichten. Hastig, ohne ausführliche Berichterstattung, sondern gleich mit beängstigendem Urteil ruft er seine Frau an, ihm zu folgen, die Nachbarn vor Fremden zu warnen, die entsetzlich anzusehen seien. Die Mausefrau wollte zwar mehr erfahren, fragt aber nicht, sondern folgt sogleich, um bei den Eheleuten Maulwurf auf- und Alarm zu schlagen. Der Herr Maulwurf fühlt sich durch das Hereinstürzen unangenehm in seiner Ruhe gestört. Doch nachdem er von der Gefahr am See erfährt, reckt er sich hoch auf: „Hier mußte er eingreifen. Endlich konnte er einmal zeigen, was für ein Kerl er war.“ Der allabendliche Besucher des Ehemaulwurfpaares, Dorfschulze Hirschkäfer, reagiert. Lässt die aufbrausenden Herren die Nachbarschaft zusammentrommeln und gibt an, er wolle nach dem Rechten sehen und dann berichten. Zwar vorsichtig, doch aufmerksam begibt sich der Hirschkäfer zu den Geflüchteten, macht sich ein Gesamtbild der Situation vor Ort und spricht mit dem Froschvater. Er lässt sich deren Geschichte erzählen und begibt sich zurück zu den Dorfansässigen. Derweil Herr Maulwurf und der Mausevater, die Nachbarn mitunter aus den Betten holen, weil Gefahr bestünde. Die Unsicherheit entdeckt unterschwellige Antipathien, sodass die Elster, die Diebstahl durch die Fremden befürchtet, sich sagen lassen muss, dass sie es ja gerade nötig habe, wo sie es selbst mit dem Eigentum anderer nicht so genau nähme.Continue reading Wer schnell hilft, hilft doppelt

Ein Rückblick: Eine Lesung mit Nadine Kegele

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von Lilli Boheme

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Bilder: Lilli Boheme | Nadine Kegele

Unser Ziel: das AKZ in Recklinghausen. Es regnet in Strömen und wir sind spät dran. Vollgepackt mit Hund und Beutel hetzen wir der Tür entgegen, wo die Dame(n) des Abends uns freudig in Empfang nehmen. Unsere Vorfreude war berechtigt. Nadine Kegele strahlt uns an, ein Hauch von Wien im Ruhrpott – wir sind entzückt. Und sofort ist klar – der Abend wird schön. Anna Seidel und Anike Krämer, die Organisatorinnen der Lesung haben den abgerockten Charme des Ortes genutzt und einen gemütlichen Raum geschaffen, wo jung und alt zusammensitzen und der Autorin heute als Versuchskaninchen dienen. Aber dazu später mehr.

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Die Organisatorinnen Anna Seidel und Anike Krämer

Nadine Kegele liest, die Zuhörerschaft ist leise. Ob die innerlich eingeschlafen sind? Nein, es geht ihnen wie uns. Sie lauschen den Romanfragmenten und verbinden die Worte mit den eigenen Erfahrungen, Überlegungen und Unsicherheiten. Die 60 Minuten Lesezeit vergehen schnell.

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„Aber Katze ist gut, sagt Vera, Katzen sind selbstständige Tiere.

Und die Füchsin sagt: Stimmt, Hunde sind kooperativ, und Kooperation wird oft missverstanden als Schwäche.

Und Untertänigkeit, ergänzt Ruth.
Und sie stinken, sagt Nora.

Der Anus einer Katze stinkt auch, sagt Vera.“

„War euch das zu viel Sex?“, fragte sie nach der Lesung. „Diese Stellen habe ich noch nie vor Publikum gelesen.“. Gleichzeitig schütteln wir unsere Köpfe, sagen aber noch nichts. Jede*r scheint auf ihrer*seiner Art ergriffen zu sein von ihren Worten, ihren Geschichten, den Wahrheiten. Die Stimmung ist zurückhaltend, aber angeregt. Und dann gab es da noch ein kleines Gewinnspiel. Nadine Kegele erklärt, dass sie sehr ungern mit leeren Händen zu Besuch kommt. Und dieses Mal hatte sie einen selbstgebastelten Schlüsselanhänger dabei. Ein gelbes Band, auf dem „Trau keiner Revolution, in der Olympe de Gouges nicht vorkommt“ aufgenäht ist. Wer die Preisfrage beantworten kann, soll den Schlüsselanhänger zum Buch bekommen.

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Lemon

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„MEINE FEINDLICHKEIT gegenüber dem Frauenkörper habe ich geerbt. Gestrige Erkenntnis, als ich so lange wachlag und an den Spielplatz dachte, wo wieder eine ihre Brüste rausgeholt hat, um ihr Kind zu stillen, einfach so. Wenn ich den Körper von Frauen nicht mag, mag ich mich selbst nicht. Die Mutter mochte sich nicht und deshalb mochte sie mich nicht, die Brüder waren kein Spiel, waren anders gebaut und gedacht als wir. Das Wir nehme ich sofort zurück. Aus der Erkenntnis jedenfalls folgt:
1. Spielplatzverbot!
2. Feindlichkeit abgewöhnen!
3. Nackte, stillende, schwangere Frauen ansehen, bis ich mich mag.“

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Gemeinsam sitzen wir noch eine Weile in gemütlicher Runde zusammen und tauschen uns aus. Wir reden über die Frauen im Roman „Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause“, über uns, über eben diese persönlichen Zusammentreffen, die inspirieren und über die Ideen, die noch vor uns liegen. In Münster am Abend drauf wird es sicher ähnlich gewesen sein.

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